Die Grundsteuer stellt einen wichtigen Bestandteil der kommunalen Finanzen dar. Mit einem Aufkommen von etwa 589 Mio. € im Jahr 2018 liegt ihr Anteil bei etwa 13% der gesamten Steuereinnahmen der rheinland-pfälzischen Kommunen. Der Stadt Koblenz wird sie im Jahr 2020 voraussichtlich 21 Mio. € einbringen, ihr Anteil an dem Gesamtvolumen beläuft sich hier auf rund 9%. Neben der Gewerbesteuer ist sie die relevante Steuer, auf die die Kommunen durch die Setzung ihrer Hebesätze einen direkten Einfluss haben.
Das Bundesverfassungsgericht beriet erstmals im Januar 2018, dass eine Reform der Grundsteuer notwendig sei. Grund dafür seien insbesondere die veralteten Einheitswerte, mit denen die Steuer berechnet werde. Diese Einheitswerte stützen sich auf Wertverhältnisse aus dem Jahr 1964 für Westdeutschland bzw. aus dem Jahr 1935 für Ostdeutschland. Aus diesen Gründen erklärte das Verfassungsgericht in seinem Urteil vom 10.04.2018 die Verfassungswidrigkeit der Steuer.
Der Bundesrat hat im November 2019 der Grundsteuer-Reform zugestimmt; 2025 tritt das Gesetz in Kraft. Die Berechnungsmethode von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) stützt sich weiterhin auf den Wert und auf die Fläche einer Immobilie, deshalb müssen ab 2022 alle 35 Millionen Grundstücke in Deutschland neu bewertet werden, danach alle sieben Jahre. Auch die durchschnittlichen Mieten in der betreffenden Wohnlage sollen nach dem Scholz-Modell einfließen. In Rheinland-Pfalz müssen mit Stand vom 1. Januar 2019 die Werte von über zwei Millionen wirtschaftlichen Einheiten infolge der Grundsteuerreform durch die sogenannte Hauptfeststellung neu festgestellt werden. Der Gesamtpersonalbedarf zur Umsetzung der Grundsteuerreform wird seitens der Landesregierung auf etwa 360 Vollzeitkräfte beziffert (Drucksache 17/9664). Um die Grundsteuerwerte zu ermitteln, müsste sogar das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung eingeschränkt werden: „Die Finanzbehörden können zur Vorbereitung einer Hauptfeststellung und der Durchführung von Feststellungen der Grundstückswerte örtliche Erhebungen über die Bewertungsgrundlagen anstellen“, erklärt der Immobilienexperte Reinhart Bünger.
In einer Stellungnahme kritisiert der ‚Bund der Steuerzahler Rheinland-Pfalz‘ das Gesetz scharf und bezeichnet es als „Bürokratiemonster“, das über eine eingebaute „Mechanik automatischer Steuerhöhungen“ verfüge: „Über steigende Bodenwerte und Mieten steigt letztlich die Bemessungsgrundlage und somit die Steuerbelastung beim Scholz-Modell. Dazu muss eine Kommune nicht einmal den Hebesatz erhöhen“, stellt der BdSt-Präsident fest. „Heimliche Steuererhöhungen gibt es beim einfachen Flächenmodell dagegen nicht. Will die Kommune mehr Geld, dann muss sie offen und ehrlich eine politische Diskussion über den Hebesatz führen. So gehört sich das auch in einer Demokratie.“ Dass das wertbasierte Scholz-Modell mehr soziale Gerechtigkeit bietet, hält der BdSt Rheinland-Pfalz für unsinnig. „Das Wohnen bezahlbar zu halten, ist bereits ohne Grundsteuer-Reform schwierig genug – gerade wegen staatlicher Steuern und Abgaben. Zwangsläufig werden bei einem wertbasierten Modell speziell Immobilien in Innenstadtlagen erheblich teurer. Wer also bei der Gentrifizierung der Innenstädte mithelfen möchte, für den dürfte das Scholz-Modell die erste Wahl sein. Auch Familien mit Kindern werden wegen des höheren Platzbedarfs überproportional belastet.“
Das Gesetz birgt speziell für private Vermieter, die in Deutschland ohnehin durch hohe Grunderwerbssteuersätze belastet werden, weitere Risiken, da unter anderem ein klares Bekenntnis zur Umlagefähigkeit fehlt. Dazu Rainer Zitelmann, Historiker und Immobilienexperte: „Ist die Umlagefähigkeit der Grundsteuer auf die Mieter erst einmal beseitigt, wie dies Grüne, SPD und Linke fordern, dann werden wir Erhöhungen ungeahnten Ausmaßes erleben: Denn wenn diese Erhöhungen nur noch die bösen ‘Miethaie’ treffen, nicht mehr jedoch die Mieter, wird es keine Skrupel mehr geben, die Grundsteuer dramatisch zu erhöhen. So wollen sich die klammen Kommunen dann auf Kosten der Vermieter sanieren“. Die Leidtragenden der Grundsteuerreform seien Eigentümer und Vermieter, die bei einem Wegfall der Umlagefähigkeit die Grundsteuer zahlen müssen und am Ende die Nettokaltmiete nicht erhöhen können, weil der sogenannte Mietendeckel womöglich sogar eine Reduzierung der Miete fordere.
Scholz setzt darauf, dass „die Reform insgesamt aufkommensneutral ausgestaltet wird“ und die Kommunen ihre Hebesätze so anpassen, dass die Bürger im Schnitt nicht mehr Steuern zahlen müssen. Als Bundesminister hat er darauf jedoch keinen Einfluss, sodass der Immobilienverband IVD bereits warnt: “Finanzklamme Gemeinden werden ihren Hebesatz keineswegs so weit herabsetzen, dass der Anstieg der Grundstückswerte ausgeglichen wird.” Die Grundsteuer B hat sich ohnehin längst zu einer bedeutenden Konsolidierungsmaßnahme der Kommunen entwickelt. Diese fragwürdige Verwaltungspraxis könnte nun durch eine Mitteilung des Landesrechnungshofs eine enorme soziale Sprengkraft entfalten. Darin heißt es, dass derzeit „alle defizitär geplanten städtischen Haushalte in Rheinland-Pfalz zumindest deshalb rechtswidrig sind, weil keine Stadt die Grundsteuer B auch nur annähernd bis zur Grenze der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit erhebt. Diese Grenze ist erst bei einer sogenannten ‚Erdrosselungswirkung‘ dieser Steuer erreicht, also einer Höhe, die Steuerpflichtige unter normalen Umständen nicht mehr aufbringen können. Eine derartige Wirkung hat die Rechtsprechung aber bisher auch bei Hebesätzen von bis zu 995 % verneint.“ Kommen die Kommunen dieser Vorgabe nach, müssten Bürger in beispielloser Weise mit ihrem Privatvermögen für Verfehlungen und Misswirtschaft der Politik bezahlen. Da die Stadt Koblenz in den kommenden Jahren mit Defiziten rechnet, könnte auch hier eine Hebesatzerhöhung eruiert werden.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Stadt:
- Wie positioniert sich die Stadt grundsätzlich zu der geplanten Grundsteuerreform?
- Würde die Stadt es begrüßen, wenn die Landesregierung von ihrem Recht der Öffnungsklausel Gebrauch macht und ein Flächenmodell einführt?
- Würde sich bei Inkrafttreten des Gesetzes der Personalbedarf in der Verwaltung erhöhen?
- Plant die Stadt Koblenz eine Anpassung der Hebesätze, um die Reform „insgesamt aufkommensneutral“ zu gestalten?
- Wie wäre dies in der Praxis umsetzbar? Bitte mögliche Modelle nennen.
- Falls dies nicht beabsichtigt ist, warum nicht?
- Welche administrativen Hürden könnten aus Sicht der Stadt bei der Berechnung der neuen Grundsteuer entstehen?
- Welche Auswirkungen hätte die Grundsteuerreform auf den städtischen Wohnungsbau?
- Teilt die Stadt die Auffassung des Bundes der Steuerzahler, dass es im Zuge der Grundsteuerreform zu einer verstärkten Gentrifizierung, zu schweren Belastungen von Eigentümern und Vermietern und damit in Folge zu negativen Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt in Koblenz kommen würde? Bitte begründen.
- Wie positioniert sich die Stadt grundsätzlich zu der zitierten Mitteilung des Landesrechnungshofs?
- Erwägt die Stadt grundsätzlich eine Erhöhung der kommunalen Realsteuern in den kommenden Jahren?
- Ist es aus Sicht der Stadt grundsätzlich legitim, defizitäre Haushalte über Steuererhöhungen zu sanieren?
- Wie schätzt die Stadt grundsätzlich die Steuer- und Abgabenlast in Deutschland ein?
- Liegt der Stadt eine Übersicht über solche Aufgaben vor, die von ihr als Auftragsangelegenheiten für Land und Bund ausgeführt werden?
- Wenn ja, sind in der Vergangenheit Leistungen erbracht worden, die von Land oder Bund nicht auskömmlich gegenfinanziert worden sind, sodass eine Kostenerstattung in analoger Anwendung des Konnexitätsprinzips geltend gemacht werden könnte?
- Wenn nein, warum nicht?