Ratsmitglied Rolf Pontius, Vorsitzender der AfD-Stadtratsfraktion
Sitzung des Stadtrats am 14.12.2019
Es gilt das gesprochene Wort.
Verehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Stadtvorstand,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren von der Presse,
willkommene Gäste,
seit ich im vergangenen Jahr an dieser Stelle als letzter Redner den Haushaltsentwurf 2019 bewerten und auch befürworten durfte, hat es in unserem Stadtrat einige tiefgreifende Veränderungen gegeben, welche die Aufgaben, die unsere Stadt im Jahr 2020 zu bewältigen hat, bestimmt nicht einfacher machen. In der Hitze der letzten Wochen und der daraus resultierenden Berichterstattung in den regionalen Medien ist die Tatsache, dass erneut die meisten Beschlussvorlagen der Stadt einstimmig angenommen worden sind, weitgehend untergegangen. Ich möchte daher die Gelegenheit nutzen und auch in diesem Jahr unserer Verwaltung meine aufrichtige Anerkennung für die geleistete Arbeit aussprechen. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Mitarbeiter nicht sonderlich begeistert sind, wie Ihr Arbeitgeber, die Stadt Koblenz, in letzter Zeit durch den Stadtrat repräsentiert wird. Ihre gewissenhafte Arbeit zum Wohle der Bürger, die sich ohnehin überwiegend im Hintergrund vollzieht, ist sicherlich nicht angemessen gewürdigt worden. Das möchte ich hiermit nochmals tun.
Wenn man die zunehmend aufgeheizte Stimmung und den bisweilen unkollegialen Umgang im Rat als Gradmesser für den Zustand unserer Stadt nimmt, würde man jedenfalls einem großen Irrtum unterliegen. Koblenz steht auch im Landesvergleich wieder sehr gut da. Wie es unser Herr Oberbürgermeister in seiner Haushaltsrede bereits dargestellt hat, haben wir laut aktueller Prognose 10 Millionen Jahresüberschuss im Ergebnishaushalt zu erwarten. Die Planungsergebnisse der anderen rheinland-pfälzischen Mittel- und Großstädte lesen sich demgegenüber deutlich schlechter. Kaiserslautern muss mit einem Minus von 39 Millionen planen, Ludwigshafen gar mit minus 46 Millionen, Trier mit minus 23 Millionen. Mainz hat zum ersten Mal seit 25 Jahren zumindest einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt. Auch die Zahlen zu der Pro-Kopf-Verschuldung geben grundsätzlich Anlass zur Freude. Die rheinland-pfälzischen Kommunen konnten die Schuldenlast insgesamt leicht reduzieren. Bei den Oberzentren nimmt Koblenz mit 3.400 Euro erneut eine hervorragende Stellung ein, Kaiserslautern ist mit knapp 9000 Euro das Schlusslicht.
In Koblenz ist das Gesamtvolumen der geplanten Steuereinnahmen von 213 Millionen auf 225 Millionen angestiegen, ein Zuwachs von über 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Diese Mehreinnahmen sind im Wesentlichen auf die Gewerbesteuer zurückzuführen, die der Stadt im Jahr 2020 voraussichtlich 117 Millionen einbringen wird, also 7 Millionen mehr als noch im Vorjahr. Ihr Anteil an dem Gesamtvolumen beträgt nunmehr stolze 52 Prozent. Die Zahlen geben vordergründig Anlass zur Freude, weil sie zeigen, dass der Wirtschaftsstandort Koblenz floriert und die Region für Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiterhin attraktiv ist. Sie offenbaren jedoch auch, wie abhängig die Stadt von der Wirtschaftsleistung der hier ansässigen Unternehmen ist. Lassen Sie uns in diesem Kontext auch nicht vergessen, dass von den rund 12.000 gewerbepolizeilich in Koblenz gemeldeten Unternehmen nur rund 2200 (18 Prozent) gewerbesteuerpflichtig sind und 41 Unternehmen – dies sind lediglich 0,34 % (!) der gesamten Gewerbebetriebe – jeweils mehr als 250.000 EUR zahlen und mit rund 74 Prozent zu den Gewerbesteuervorauszahlungen des Jahres 2019 beigetragen haben. Die Stadt wäre also gut beraten, wenn Sie Warnungen und Anregungen vonseiten der Koblenzer Großarbeitgeber ernst nimmt und entsprechend reagiert; doch dazu an späterer Stelle mehr.
Mit diesen Zahlen im Hinterkopf fallen die beiden neuen im HuFa vom 19.11. beschlossenen Einnahmemöglichkeiten, wie die Anpassung der Vergnügungssteuer für Glücksspielgeräte von 24 auf 25 Prozent sowie die Einführung einer Kampfhundesteuer von 700 Euro pro Jahr und Hund, jedenfalls nicht sonderlich ins Gewicht. Bei den jährlich zu erwartenden Einnahmen von 20.000 Euro geht die Stadt davon aus, dass die Kampfhundebesitzer ihre Hunde brav als solche anzeigen werden. Da die Stadt diesbezüglich auf ein Controlling verzichtet, darf man auf das Ergebnis gespannt sein. Unserer Auffassung nach sind beide Maßnahmen vor allem auch wieder deshalb vorangetrieben worden, um dem Punkt 7 unserer Eckwerte, die Ausschöpfung sämtlicher Einnahmemöglichkeiten, Genüge zu tun. Die Ausformulierung dieses Punktes gibt der Stadt einen größtmöglichen Ermessenspielraum, darf aber nicht zu einer dauernden Selbstverpflichtung für auch anlasslose Erhöhungen von Steuern und Abgaben werden.
Dieser Mechanismus wurde offenkundig auch bei der Zweitwohnungssteuer, die vor unserer Zeit eingeführt worden ist, wirksam. Ich darf Sie diesbezüglich auch auf die Antwort zu unserer Anfrage „Zweitwohnungssteuer“ vom 26.09.2019 hinweisen. Bei der Zweitwohnungssteuer handelt es sich ursprünglich um eine Luxussteuer, die an klassischen Urlaubsorten auf Ferienwohnungen erhoben wurde. Eine Einführung dieser örtlichen Aufwandsteuer ohne besondere Notwendigkeit war jedoch nicht vorgesehen. Umso bemerkenswerter ist es, dass der Antrag der SPD-Ratsfraktion und die entsprechende Beschlussvorlage aus dem Jahr 2011 ohne tiefergehende Reflexion und Rechtfertigung die „Ausschöpfung aller Einnahmemöglichkeiten“ als zentrale Begründung für die Steuererhebung anführen. Das Innehaben einer Zweitwohnung sei als „besonderer Aufwand“ anzusehen, der „in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt“ und somit eine zusätzliche Besteuerung rechtfertige. Hier sind offenkundig Bedürfnisse der arbeitenden Mittelschicht mit Luxus verwechselt worden und dies erinnert doch – mit Verlaub – an typisch sozialistische Denkmuster. Bevor jetzt in meine Rede hineininterpretiert wird, wir seien zu Anwälten der Reichen geworden, muss nämlich folgendes festgestellt werden: Eine solche Steuer trifft – wie so oft – mehrheitlich Familien und Bürger mit mittleren Einkommen, die aus beruflichen Gründen, zu Studienzwecken oder aufgrund anderer Lebensumstände eine Zweitwohnung einrichten müssen. So sind in Deutschland alleine mehr als eine Million Arbeitnehmer auf eine Zweitwohnung angewiesen. Speziell diese Bevölkerungsgruppe sollte steuerlich spürbar entlastet werden.
Hinzu kommt, dass durch derartige Zusatzsteuern die ohnehin schon ausufernde Bürokratisierung des Alltagslebens und der Papierkrieg mit den Behörden weiter verstärkt werden. Wer eine Zweitwohnung in Koblenz bezieht, muss diese unverzüglich bei der Stadt anzeigen, bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage mitwirken und eine entsprechende Steuererklärung abgeben. Gerade bei Wohnungen, für die keine Mietzahlung vereinbart wurde, beispielsweise ein Zimmer im Elternhaus, kann dies groteske Züge annehmen. Hier könnte Koblenz aus unserer Sicht mit der Abschaffung dieser Steuer eine Vorreiterrolle einnehmen, da die Stadt auf diese Zusatzeinnahmen eigentlich nicht angewiesen wäre, wenn bei einigen Stellen im Ausgabenbereich mit ähnlicher Akribie vorgegangen würde. Unsere Fraktion wird dieses heiße Eisen im kommenden Haushalt trotz der einkalkulierten Mehreinnahmen von ca. 150.000 Euro anfassen und auf die Tagesordnung bringen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle nochmal auf unseren Einnahmegaranten, die Gewerbesteuer zurückkommen. Auch die AfD Koblenz hat Mitglieder, die kleine oder mittelständische Unternehmen führen und Gewerbesteuer zahlen. Bei Mitglieder- und Bürgergesprächen konnte ich eine ausgeprägte Unzufriedenheit und Verunsicherung bezüglich der zukünftigen Klimaschutzmaßnahmen feststellen. Der Tenor war meistens „was kommt da alles auf mich zu, was wird mich das alles kosten, wird das mein Geschäft beeinträchtigen?“ Wir können diese Sorgen sehr gut nachvollziehen. Daher habe ich auch mit Freude in der Haushaltsrede unseres verehrten Herrn Oberbürgermeisters vernommen, dass geplant ist, die CO2-Reduzierung zu schaffen, ohne die Wirtschaftsleistung unserer Stadt zu beschränken oder Arbeitsplätze zu gefährden. Wir werden Sie beim Wort nehmen!
Der Stadtrat stimmt heute über den Luftreinhalteplan für Koblenz, der nun Teil des neuen Klimaschutzkonzeptes ist, ab. Die AfD hat im Haupt- und Finanzausschuss als einzige Fraktion dagegen gestimmt. Wir sind bestimmt nicht generell dagegen, müssen aber einige gewichtige Vorbehalte anmelden. Wie Sie alle wissen, sind die zugrundeliegenden Grenzwerte für Stickoxid und Feinstaub auch unter Experten und Wissenschaftlern höchst umstritten und aus unserer Sicht viel zu niedrig angesetzt. Hinzu kommt, dass die Obergrenzen trotz der fragwürdigen Positionierung der Messstationen nur partiell geringfügig überschritten werden. Weitere Eingriffe in den Stadtverkehr erübrigen sich damit eigentlich. In dem Papier finden sich aber Maßnahmenblöcke, die mit Sicherheit die falschen Botschaften an unsere fleißigen Pendler und Gewerbetreibenden senden, die nun mal auf einen reibungslosen Verkehrsfluss und in der Mehrzahl auf Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor angewiesen sind. Besonders der Punkt M24 hat es in sich. Hier ist von einer „großflächigen Überprüfung und Anpassung regulierender Maßnahmen im Straßenverkehr“ die Rede, also von erzwungenen Verhaltensänderungen. Dies beinhaltet mitunter die Ausweitung von Tempo-30-Zonen und verkehrsberuhigten Bereichen, freilich ohne konkrete Zahlen zu nennen. Werden davon jetzt 5 oder 50 Straßen betroffen sein?
Wie auch auf Bundesebene soll der Verbrennungsmotor – und damit bekanntermaßen ein Sinnbild deutscher Ingenieurskunst – ins Abseits gestellt werden. Dabei könnten Methoden zum Einsatz kommen, die Privatautonomie und Gewerbefreiheit einschränken würden und damit fast schon planwirtschaftliche Züge tragen. Ich erlaube mir, zur Verdeutlichung den letzten Absatz ungekürzt wiederzugeben: „Für lokal emissionsfreie Fahrzeuge könnten Bevorrechtigungen im Stadtverkehr geschaffen werden, die dazu anregen, vermehrt mit solchen Fahrzeugen in die Innenstadt einzufahren. Insbesondere im Bereich der Lieferverkehre wäre eine sukzessive Umstellung auf Elektromobilität sehr interessant zur Reduzierung von Luftschadstoffen und auch von Lärmemissionen. Dazu müssten aber Anreize und Vorteile gegenüber Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren geschaffen werden.“ Ich übersetze das mal kurz. Es soll fortan Autobesitzer erster und zweiter Klasse geben. Meine Damen und Herren, es gibt Arbeitnehmer und Gewerbetreibende, für die das Auto eine Lebensgrundlage darstellt und die nicht einfach, wie die Stadt dies gerade tut, auf Elektromobilität umstellen können. Abgesehen davon garantiert der Individualverkehr in der jetzigen Form Freiheit und Unabhängigkeit. Einige der anvisierten Klimaschutzmaßnahmen sind schlicht ungerecht und unsozial. In den Zukunftsvisionen der selbsternannten Klimaretter spielen die Sorgen und Nöte der einfachen Bevölkerung aber bekanntermaßen eine untergeordnete Rolle. Die Politik der Grünen richtet sich vorrangig an die Gutsituierten und Besserverdiener, die sich zur Selbstläuterung einen neuen Tesla kaufen und damit ihren Wocheneinkauf im Alnatura-Markt erledigen können. Wir werden daher auch heute im Stadtrat dem Luftreinhalteplan nicht zustimmen.
Dass der „Klimanotstand“ insgesamt zahlreiche Unwägbarkeiten erzeugt hat und in erheblichem Maße haushaltsrelevant ist, sollte nunmehr jedem klar sein. Da der Begriff juristisch nicht definiert ist und zentrale Inhalte des beschlossenen Maßnahmenpakets bisweilen vage und unpräzise gehalten sind, kann selbst innerhalb der Stadtverwaltung über die konkreten verwaltungsrechtlichen und finanziellen Konsequenzen nur spekuliert werden. Absehbar ist indes, dass die Stadt an Handlungsfähigkeit und der Wirtschaftsstandort Koblenz an Attraktivität verlieren werden. Alle Beschlüsse stehen zukünftig unter dem Vorbehalt des Klimaschutzes und müssen mit zahlreichen neuen Auflagen in Einklang gebracht werden, sodass langwierige und kostspielige Entscheidungsprozesse zu befürchten sind. Infrastruktur- und Bauprojekte können möglicherweise nicht mehr in der gebotenen Form realisiert werden. Die Umsetzung der 33 Maßnahmen ist für die Stadt mit erheblichen Mehrkosten verbunden und die Koblenzer Großarbeitgeber fragen sich bereits, welche Einschränkungen und Verpflichtungen auf sie zukommen werden. Gerade bei einem so streitbaren und komplexen Thema ist die Stadt daher besonders in der Pflicht, für Klarheit, Transparenz und Planungssicherheit zu sorgen. Ich verweise diesbezüglich nochmals auf unseren Antrag „Sachstandbericht Klimanotstand“ – wir werden mit den uns zu Verfügung stehenden Mitteln weiter zur Aufklärung beitragen. Unsere Ratsfraktion wird in den kommenden Jahren klar aufzeigen, wie sich eine Umweltpolitik mit Vernunft und Augenmaß, die einem Wirtschaftsstandort gerecht wird, von einer ideologischen Verbotshysterie unterscheidet.
Lassen Sie mich nun zur Ausgabensituation kommen. In den Eckwerten zum Haushalt 2020 wird angestrebt, die Neuverschuldung in 2020 auf das absolut notwendige Mindestmaß zu reduzieren und im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung kontinuierlich auf null zurückzuführen. Bei der Fülle der vor uns liegenden Projekte ist das natürlich eine Herkulesaufgabe. Den letzten Donnerschlag durften wir unlängst registrieren. Die jetzt aktualisierten Kostenprognosen bezüglich des Neubaus der Pfaffendorfer Brücke haben sich gegenüber der ersten Kostenschätzung mit allen Maßnahmen von 56 auf nunmehr knapp 100 Millionen erhöht. Ob das der Weisheit letzter Schluss ist, bleibt abzuwarten. Eine Kostenexplosion in dieser Größenordnung war sicherlich von der Stadt nicht einkalkuliert.
Ich möchte hier auch nur einige weitere Ausgabenposten benennen, deren Erhöhung gefühltermaßen jedes Jahr einfach hingenommen wird. Natürlich darf unser Kulturhaushalt erst sekundär unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet werden. Aber dennoch haben die Zahlen einen gewissen Beigeschmack. Alleine die Stadtbibliothek erscheint in 2020 mit einem Jahresfehlbetrag von 3,8 Millionen im Ergebnishaushalt, das Mittelrheinmuseum mit minus 1,75 Millionen und das Ludwigmuseum mit minus 1,4 Millionen. Diese Einrichtungen sind natürlich Grundpfeiler des kulturellen Lebens der Stadt und für ein Oberzentrum wie Koblenz absolut angemessen und notwendig. Kritischer sehen wir allerdings die vom Kulturdezernat vorgegebene auffallend einseitige inhaltliche wie weltanschauliche Ausrichtung vieler Veranstaltungen und Projektwochen sowie die aus dem Kulturhaushalt gespeisten Förderungsnetzwerke, die offensichtlich zur Aufrechterhaltung einer linkslastigen Kulturszene beitragen. Wir vertreten den Standpunkt, dass Kultur für alle da sein muss – auch für Konservative, Heimatverbundene und Nicht-Linke.
Die Aufwendungen der sozialen Sicherung werden sich im kommenden Jahr, wie in den vergangenen Jahren auch, erhöhen. Diesmal ist eine Erhöhung von 5,5 Millionen eingeplant. Hinzu kommt eine Kostensteigerung von 1 Million bei den Personal- und Versorgungsleistungen. Am 07.11.2019 hat die AfD im Stadtrat ebenfalls für den Ausbau der Schulsozialarbeit, die im kommenden Jahr mit 128.000 Euro zu dieser Kostensteigerung beitragen wird, gestimmt. Wir haben aber im Rahmen eines Redebeitrags auch unsere Besorgnis ausgedrückt. Der Herr Oberbürgermeister hat in seiner Haushaltsrede ja bereits angekündigt, dass in den nächsten Jahren die Beiträge für die Schulsozialarbeit sukzessive erhöht werden sollen. Bei allem guten Willen die Schüler intensiv zu betreuen darf nicht vergessen werden, dass Erziehung und Wertevermittlung elterliche Kernaufgaben sind, die unter keinen Umständen noch stärker in staatliche Einrichtungen, allen voran in die Schulen ausgelagert werden dürfen. Die staatliche Fürsorge ist in diesem Bereich dabei, eine Grenze zu überschreiten. Das ganze Konzept, insbesondere das „frühe Intervenieren“ entlässt die Erziehungsberechtigten aus der Verantwortung und Verpflichtung, eigene Anstrengungen zu unternehmen, ihr Kind optimal zu fördern und auf die Herausforderungen des Lebens vorzubereiten. Speziell an Gymnasien, wo die Schüler zur allgemeinen Hochschulreife geführt werden sollen, dürfte es Schulsozialarbeit in diesem Umfang gar nicht geben. Es ist traurig, dass sich Lehrer immer weniger auf ihr eigentliches Ziel, die Wissensvermittlung, konzentrieren können. Mehr Schulsozialarbeiter sind lediglich der Versuch, Symptome zu behandeln und gesellschaftliche Fehlentwicklungen zu entschärfen. 40 Prozent der Koblenzer Grundschüler haben mittlerweile einen Migrationshintergrund, in Lützel und Neuendorf liegt der Wert bei etwa 70 Prozent. Es ist leider eine Tatsache, dass gerade an Schulen mit einem hohen Migrantenanteil eine intensivere Schulsozialarbeit und Sonderbetreuung von Nöten sind, um überhaupt einen geregelten Unterricht gewährleisten zu können. Bei den jährlichen Erhöhungen des Sozialetats handelt es sich also zumindest anteilig um Integrationskosten, die für den Steuerzahler zunächst nicht als solche erkennbar sind.
Ich möchte es ebenfalls nicht versäumen, an dieser Stelle den Komplex ‚Glasfaserausbau‘ anzusprechen, obwohl der kommunale Haushalt davon weitgehend unberührt bleibt. Für den Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt ist dieses Thema aus unserer Sicht jedenfalls von großer Bedeutung. Stichwort lahmes Internet in Stolzenfels. Während dieser Ortsteil abgehängt ist, hat die südliche Vorstadt beste Glasfaserversorgung, weil hier eben das kaufkräftige Klientel wohnt. Die Ausbaurealität, die die Landesregierung zu verantworten hat, ist schlichtweg: unsozial. Sie trennt Stadtteile voneinander, sie trennt Stadt und Land voneinander. Wir haben uns mit Anfragen intensiv mit der Lage in Stolzenfels auseinandergesetzt – und zwar seit unserem Einzug in den Rat. Vor wenigen Tagen ist im Landtag ein Antrag der AfD abgelehnt worden, der unter anderem Stolzenfels mittelfristig mit schnellem Netz versorgt hätte. Durch Glasfasergutscheine der Landesregierung wäre die Nachfrage vor Ort bürgernah angekurbelt worden. Und das EU-richtlinienkonform und auf Grundlage von Geldern, die im Landeshaushalt bereits eingestellt sind. Wir sollten hier neu denken und überlegen, ob kommunale Glasfasergutscheine möglich wären. Meine Damen und Herren, auch Ideen, die aus dem vermeintlich falschen politischen Lager kommen, können Probleme für die Allgemeinheit lösen.
Unsere Fraktion wollte sich bei der Abstimmung über den Haushalt 2020 zunächst enthalten. Wie bereits ausgeführt sind wir mit einigen Punkten inhaltlich nicht einverstanden. Da es aber rein formal kaum etwas zu beanstanden gibt, der Haushalt transparent gestaltet wurde und sich die Planungsergebnisse im Landesvergleich sehen lassen können, werden wir – auch mit zum Teil vorhandenen Bauchschmerzen – geschlossen zustimmen.
Zum Ende meiner Rede erlaube ich mir mal, für alle Kolleginnen und Kollegen, die letztes Jahr noch nicht im Rat waren, die beiden Schlusssätze meiner vorjährigen Haushaltsrede zu wiederholen. Wohlgemerkt, vor der Kommunalwahl:
„Egal wie hart im bevorstehenden Wahlkampf gekämpft wird. Wir sollten uns immer vor Augen halten, dass alle vom linken bis rechten Spektrum in diesem Rat mit Sicherheit das Wohl unserer Stadt Koblenz im Sinn haben. Der unterschiedlichen Sicht der Dinge verdanken wir es doch, dass unsere Ratsarbeit nie langweilig wird.“
So wie ich das jetzt sehe, erziele ich hier und heute wenigstens in einem Punkt Einstimmigkeit: Langweilig war es bisher nicht. Für mich hat diese Aussage jedenfalls nicht an Gültigkeit verloren. Wir sind nicht hier, um uns an anderen Ratsmitgliedern abzuarbeiten, sondern um Koblenz positiv zu gestalten. Dazu bringen wir alle natürlich Ideen und Vorschläge in Form von Anträgen und Anfragen ein. Dass dabei auch mal Grundsatzdiskussionen entstehen können und Meinungsverschiedenheiten offen ausgetragen werden, ist nur logisch und per se auch nicht schlecht. Doch auch bei einem politischen Schlagabtausch gibt es Regeln und Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Darüber haben wir gemeinsam in den letzten Wochen intensiv diskutiert und erfreulicherweise bereits erste konstruktive Vereinbarungen erzielt. Uns allen muss klar sein, dass keine Fraktion ihre Ziele und Interessen immer vollumfänglich durchsetzen kann. Bei aller Emotionalität sollten wir uns immer vor Augen führen, dass wir eine gemeinsame Verantwortung für die Stadt und die hier lebenden Bürger haben. Das hat auch unser Herr Oberbürgermeister in seiner Rede deutlich herausgestellt. Vielleicht trägt ja auch die bevorstehende Weihnachtszeit zur Besinnung und zur Beruhigung der Gemüter bei.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wünsche Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest und ein gesundes, friedliches Jahr 2020.
Herzlichen Dank für Ihr geneigtes Interesse!